Vergangenes Frühjahr flanierte ein ortsfremdes Pärchen über die Oberkasseler Rheinwiese. Da sagt sie zu ihm: „Meine Güte, wie können die Düsseldorfer ihre Köter hier alles vollsch***en lassen!“ Tatsächlich war das Gras mit tierischen Hinterlassenschaften übersät. Aber schon ohne genaueres Hinsehen hätten den Gästen klarwerden können: Nein, das sind keine Hundehaufen. Tatsächlich sind alle Düsseldorfer Rheinwiesen unterhalb der Deiche und an den Deichböschungen oft von großen Schafherden bevölkert – und die sind eminent wichtig für den Deichschutz.
Moderne Flussdeiche werden aus dem Material aufgeschüttet, das die jeweilige Region bietet. Das können lehmige Böden sein, Mischungen aus Sand oder sogar vorwiegend Torf. Zusammengehalten wird das aufgeschüttete Erdreich durch das Wurzelwerk der Grasnarbe. Die muss regelmäßig gemäht und sollte von Schafen beweidet werden, um sie kurz und dicht zu halten. Damit Hochwasser und Regen die Deiche nicht aufweichen und den Sand wegschwemmen, werden Deiche teilweise mit Schotter, einem Filtervlies und Sandsäcken beschwert. Ein solcher Deich an Binnengewässern hat – anders als ein Seedeich – nicht die Aufgabe, durch Sturm vorangetriebene Wellen abzuhalten, sondern einzig und allein dafür zu sorgen, dass bei einem Hochwasser der Fluss nicht unkontrolliert in bewohnte, tieferliegende Flächen eindringen kann. Also baut man Deiche so, dass die Deichkrone um ein definiertes Maß höher liegt als das höchste anzunehmende Hochwasser. Aber Wasser, das über die Deichkrone ins Hinterland schwapp, ist im Fall des Falles gar nicht das größte Problem. Gefährlich kann allein schon das unvermeidbare Sickerwasser werden. Da man Deiche eben nicht aus Beton baut, dringt durch den reinen Gewichtsdruck auf jeden Fall Wasser in den Deichkörper ein. Je höher der Pegel, desto größer der Druck. Ab einem gewissen Wert sickert das Wasser dann quer durch den Deich und tritt am binnenseitigen Deichfuß aus. Deshalb werden genau dort bei Hochwasser Sandsäcke abgelegt, die diesen Effekt be- oder verhindern. Und natürlich kommt es schnell zur Katastrophe, wenn Teile aus dem Deich ausgeschwemmt werden und sich Lücken bilden – man sagt dann: Der Deich bricht. Solche Unglücksfälle sollen durch eine kontinuierliche Deichpflege verhindert werden. Ziel der Arbeit ist es, die Deiche stabil zu halten. Dazu müssen der Deichkörper und die Böschungen regelmäßig verdichtet werden. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass Wühltiere und unerwünschter Pflanzenwuchs das Erdreich nicht (zu sehr) auflockern. Das bringt zum eigentlichen Thema: Das Schaf ist von Natur aus der optimale Deichpfleger. Mit den Klauen übt ein erwachsenes Tier einen Druck von 3 Tonnen pro Quadratmeter aus, das entspricht einer schweren Rasenwalze. So wird das Erdreich verdichtet, und genau das ist ein Hauptziel der Deichpflege. Weil die Herde beim Grasen ständig in Bewegung ist, trampeln die Schafe aber auch Maulwurfshügel und Mausegänge zu, sodass Hoch- und Sickerwasser keine Angriffspunkte finden. Außerdem fressen die Paarhufer Gras und Kräuter bis zu den Wurzeln und sorgen auch dafür, dass Baum- und Buschsprößlinge das Erdreich nicht auflockern. Der Laie denkt nun: „Gut für den Schäfer, da haben seine Schafe kostenloses Futter.“ Tatsächlich aber werden die Schäfer für diese Arbeit von den zuständigen Behörden sogar entlohnt. Allerdings lässt sich damit die Haltung einer oder mehrerer Herden nicht finanzieren, sodass Umsatz auch über den Verkauf von Fleisch, Fellen und Wolle erzielt werden muss. Rund um Düsseldorf sind aktuell noch vier Schäfer mit insgesamt fünf bis sechs Herden in der Deichpflege unterwegs. Eben auch an den Rheinwiesen direkt gegenüber der Innenstadt. So kommt es, dass oft große dunkle Brocken auf dem Gras rumliegen, die nicht von Hunden stammen.
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