Doch, doch: Der Rhein fließt am Stadtgebiet von Leverkusen vorbei. Nominell beginnt das Rheinufer der Retortenstadt an der Grenze zu Flittard im Süden und der Linie zwischen Hitdorf und Monheim im Norden. Hätte man ebenjenes Hitdorf aber 1975 nicht der schönen Stadt Monheim weggenommen, dann wäre Leverkusen praktisch ohne Bezug zum mächtigen Strom. Denn selbst der Stadtteil Rheindorf an der Wuppermündung hat dank A59 und Altlastdeponie kaum noch Zugang zum Ufer. Das alles kann man besonders schön (bzw. hässlich) sehen, wenn man vom Schiff aus zwischen Monheim und Flittard das rechtsrheinische Ufer betrachtet. Aber anscheinend ist das den Leverkusener Stadtvätern und -müttern auch wurscht; nicht einmal der zur Landesgartenschau 2005 angelegte Neuland-Park hat der Bevölkerung nicht einmal einen Kilometer nutzbares Rheinufer gebracht.
Bleiben wir beim hübschen Örtchen Hitdorf, das sich der Bayer-Ort gekrallt hat, um so die nötige Bevölkerungsgröße zu haben, um kreisfreie Stadt werden zu können. Dies ist tatsächlich ein ganz und gar auf den Rhein bezogener Ort, dessen Rheinhafen schon 1252 urkundlich erwähnt wurde. Die Rheinfähre wurde auch schon 1633 erwähnt. Bei Wiesdorf, das heute allgemein als „Leverkusen-Mitte“ verstanden wird, sieht das ganz anders aus. Das eigentliche Wiesdorf wurde zweimal (1571 und 1657) durch Hochwasser weitgehend zerstört, wobei es Mitte des 16. Jahrhunderts gleich mehrere waren, die den Flusslauf nachhaltig veränderten. Also baute man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das neue Wiesdorf weiter landeinwärts.Wie aus der Leverkus-Fabrik die Bayer AG wurde
Google-Map: Leverkusen
Kurz nach Carl Leverkus‘ Tod 1889 verkauften seine Söhne einen Teil der Anlage an mit der Alizarinfabrik in Wiesdorf an die Elberfelder Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co AG. Dieser Kauf war Teil eines weitreichenden Plans der Bayer-Verantwortlichen, eine Ausdehnung des Unternehmens möglich zu machen. Am Standort in Elberfeld schien eine Erweiterung angesichts der Tallage kaum möglich, zumal es zunehmend logistische Probleme beim Transport der Grundstoffe und der Produkte gab. Die Lage am Rhein schien ideal. 1895 wurde der Firmensitz nach Wiesdorf verlegt, und Carl Duisburg begann im Auftrag des Vorstands, das Bayer-Werk anzulegen.
Keine Liebesgeschichte
Das bestimmte das Schicksal des Rheins an dieser Stelle bis heute. Die Werksanlagen der Bayer AG bestimmten nicht nur das Bild vom Strom aus. Ein gutes Dutzend Verladeanlagen gibt es, und auch heute noch nutzen eine ganze Reihe Anlagen auf dem Werksgelände der Rhein als Quelle für Kühlwasser. Was in den Fünfziger- und Sechzigerjahre schlimme Folgen für den Fluss hatte, der durch Bayer nicht nur durch Abwässer belastet, sondern durch die Kühlkreisläufe auch deutlich erwärmt wurde – beides führte dazu, dass der Rhein stromabwärts viele Jahre lang biologisch so gut wie tot war. Erst als man in den Siebzigerjahren bei der Bayer AG ein Umweltbewusstsein entwickelt hatte, änderte sich das. Heute geht die größte Bedrohung des ökologischen Gleichgewichts im Rhein nicht mehr vom Werk aus, sondern am ehesten von den insgesamt zwei großen Sondermülldeponien in Ufernähe.
Dass die Beziehung zwischen Leverkusen und dem Rhein keine Liebesgeschichte ist, lässt sich daraus ablesen, dass es in der Retortenstadt weder Feste in Bezug auf den Fluss gibt, noch, dass irgendwelche Folklore rund um den Rhein gibt. Seit mehr als 120 Jahren ist der mächtige Strom für Leverkusen als nicht mehr als eine Art Nutztier…