Ja doch, Urdenbach ist seit 1929 ein Stadtteil von Düsseldorf. Obwohl es sich vor Ort überhaupt nicht so anfühlt. Wenn man sich im selbsternannten „Dorf mit Herz“ umtut und mit Alteingesessenen spricht, wird das deutlich. Manche meinen, wenn sie sagen „Ich fahr in die Stadt“ nämlich nicht die Metropole im Norden, sondern das benachbarte Benrath, das ja tatsächlich bis zur Eingemeindung eine Stadt war, zu der Urdenbach einst gehörte, als die Gemeinde „Groß-Benrath“ hieß. Außerdem hat dieses Dorf am Rhein eine ganz eigene Geschichte, die aufs Engste mit dem großen Strom verbunden ist.
Ab dem Ende des 14. Jahrhunderts besaß Urdenbach nämlich dank eines epischen Hochwassers einen geschützten Rheinarm, den man als Handelshafen nutzte – vor allem für Holz, das hier zu Flößen zusammengestellt und über den Rhein verschickt wurde. Allerdings hieß der Ort zu jener Zeit noch gar nicht so wie heute. Beziehungsweise: In alten Urkunden und auf alten Karten findet man ein Dutzend Schreibweisen, die so unterschiedlich sind, dass sich der heutige Ortsname nicht schlüssig herleiten lässt. Ohnehin sagen die Dorfbewohner durchweg „Odebach“ zu ihrer Gemeinde. Deren Geschichte auch nach einer kurzen Glanzzeit als Hafenort weiter mit dem verbunden blieb, was der Rhein so zwischen Monheim, Zons, Benrath und Grimmlinghausen anstellte. Noch heute ist der gewaltige Bogen des Altrheins im Süden Urdenbachs zu erkennen – und zu erwandern. Denn vom Wanderparkplatz „Piels Loch“ aus in Richtung Baumberg kann man herrliche Spaziergänge unternehmen. Und wenn man ganz im Süden an den Fluss schwenkt, kann man gleich auch noch die wunderbare Urdenbacher Kämpe entdecken. Dieses Naturschutzgebiet, das übrigens als Überschwemmungsgebiet Düsseldorf bei Hochwassern wie die vom Januar 2018 schützt, lässt erleben, was mit Rheinufern geschieht, an denen nicht dauernd Menschenhände herumfuhrwerken. Hier finden sich viele Vogelarten und Insekten, die man sonst auf dem Stadtgebiet nicht findet, hier trifft man unterhalb der Deiche auf eine Landschaft, die sich je nach dem, was der Rhein so spielt, ständig verändert. Viele Großstädter machen sich deshalb an Wochenenden nach Urdenbach auf. Oder nach Benrath, denn die südwestliche Ecke des Schlossparks liegt nur einen Steinwurf vom Einstieg in die Kämpe entfernt. Auch wenn die Straßenführung und der Autoverkehr dem Dorf einigermaßen übel mitgespielt haben, ist doch im Kern der alte Charakter Urdenbachs erhalten geblieben. Das liegt vor allem an den vielen historischen Gebäuden – etliche davon in Fachwerkbauweise – und der Grundstruktur rund um die Urdenbacher Dorfstraße, die nördlich in die Urdenbacher Allee nach Benrath übergeht. Traditionell war Urdenbach ein Bauerndorf mit einigen wenigen Fischerfamilien – und weithin bekannte Handwerker, die hier beliebte Töpferwaren herstellten. Dass die Landwirtschaft immer das Hauptgeschäft der Dorfbewohner war, kann man jedes Jahr beim berühmten Erntedankfest mit dem noch berühmteren Umzug erleben. Dann marschieren Hunderte Urdenbacher hinter Gespannen her, die von antiken Traktoren oder Pferden gezogen werden. Die Wagen sind mit den Erzeugnissen der Ernte bestückt, die Teilnehmer tragen angemessene Kleidung – viele haben Blotschen an den Füßen, die typischen Holzschuhe. Den Höhepunkt bilden dann die Schürreskarren-Rennen auf der Hochstraße, bei denen die Kontrahenten hochbeladene, hölzerne Schubkarren um die Wette schieben. Wie gesagt: Nominell zählt der freundliche Ort zu Düsseldorf, aber quasi „ethnisch“ betrachtet ist das Dorf gespalten – und zwar durch die Benrather Linie, eine Sprachgrenze, die sprachwissenschaftlich das Hochdeutsche vom Niederdeutschen trennt. De facto aber liegt mitten in Urdenbach die Grenze zwischen dem Rheinischen, wie es vor allem in Köln und Umgebung gesprochen wird, und dem Niederrheinischen, das die Basis für die Düsseldorfer Mundart bildet. Tatsächlich neigen von alters her einige Familien ohnehin mehr in Richtung Opladen, Monheim und weiter nach Köln; dementsprechend wird in nicht wenigen Wirtshäusern nicht nur das Düsseldorfer Altbier, sondern auch Kölsch serviert, und es soll sogar echte Urdenbacher geben, die den 1. FC Köln lieber mögen als Fortuna Düsseldorf.Aber die Bevölkerung Urdenbachs, die sich immerhin auf mehr als 10.000 Seelen beläuft, ist auch in anderer Hinsicht einigermaßen heterogen. Hier verläuft die gedachte Grenze zwischen den Eingeborenen, also denjenigen, die in Urdenbach geboren und aufgewachsen sind und deren Familien seit mindestens drei Generationen hier ansässig sind, und den Zugewanderten. In drei Wellen kamen Neubürger in den Ort, jeweils ausgelöst durch die Erschließung von Neubaugebieten im Norden, im Westen und im Südwesten. Gerade in Rheinnähe sind die moderneren Wohnungen und Häuser nicht nur begehrt, sondern sehr, sehr teuer. Aber wer würde z.B. nicht gern an einer Straße namens „Am Alten Rhein“ und mit unverbaubarem Blick auf den Strom wohnen?