Als vor einigen Jahren beim Bau der Düsseldorfer Flughafenbrücke die Fahrrinne im Rhein verlegt und vertieft werden sollte, entdeckte man mehrere Dutzend Findlinge verschiedener Größe. Die besonders dicken Brocken ließen sich nicht einfach per Bagger heben. Das hieß: Auf dem Grund des Rheins muss gearbeitet werden. Nun können Profi-Taucher viele Unterwasseraufgaben übernehmen, aber einen Felsen von vier, fünf Meter Stärke zweimal quer zu durchbohren, ist keine Arbeit, die im Neopren-Anzug zu erledigen ist. Die TGS Carl Straat musste her – das derzeit einzige Taucherglockenschiff auf bundesdeutschen Binnenwasserstraßen.
Erbaut 1963 bei Orenstein & Koppel in Lübeck unterstand dieses Spezialschiff der Wasser- und Schifffahrtsdirektion West, die heute ein Standort der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) ist. Theoretisch kann die Carl Straat auf allen Wasserstraßen eingesetzt werden, die über ausreichend große Schleusen zu erreichen sind, denn mit einer Länge über alles (Lüa) von 52 Metern und einer Breite von 11,8 Metern ist das Taucherglockenschiff nicht besonders klein. Tatsächlich wird es aber regelmäßig auf dem Rhein zwischen Emmerich und Iffezheim gebraucht, wo eben am häufigsten Hindernisse aus den Fahrrinnen zu holen sind.Das Prinzip Taucherglocke: Kaum vorstellbar, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit kannten schon „die alten Griechen“ das Prinzip der Taucherglocke. Jedenfalls hat es Aristoteles bereits 320 v.Chr. beschrieben. Erste Zeugnisse der praktischen Anwendung findet man allerdings erst im 16. Jahrhundert. Der besagte Aristoteles hatte festgestellt, dass Wasser in einen mit Luft gefüllten Behälter nicht eindringt, wenn er nach oben dicht ist. Man kann das leicht selbst ausprobieren. Man nehme ein Wasserglas, zerknülle ein Blatt Papier und stopfe es in dieses Glas, sodass es nicht herausfällt, wenn man das Glas umdreht. Nun füllt man ein Becken oder eine Schüssel mit Wasser und drückt das Glas mit der Öffnung nach unten hinein. Man kann schon sehen, dass kein Wasser eindringt, und wenn man das Glas wieder herausholt, ist es vollkommen trocken.
Antike Taucherglocken funktionierten ohne Luftzufuhr: Die Personen, die darinsaßen oder standen, mussten nach oben geholt werden, wenn der Sauerstoff in der Glocke verbraucht ist.
Mit der Dampfmaschine kamen die Pressluft und die Idee, Luft in die Glocke zu pumpen, damit Leute darin beinahe unbegrenzt lange arbeiten können. Solche Taucherglocken gibt es weltweit in verschiedenen Bauarten und Größen, vor allem in Häfen, Flüssen, Kanälen und Seen für Instandhaltungsarbeiten. Aber auch Schatzsucher setzen bisweilen Taucherglocken ein…
Denn das ist die Hauptaufgabe der TGS Carl Straat, die über eine mit Pressluft gespeiste Taucherglocke an einem Parallelogramm-Schwenkarm verfügt. Die Glocke ist fest mit einer Röhre von gut zwei Metern Durchmesser verbunden und wird heckwärts in einem Ausschnitt im Rumpf bis auf den Grund abgesenkt. In der Röhre ist eine Treppe untergebracht, über die Arbeiter nach unten steigen, um den Flussgrund zu untersuchen und Hindernisse für ihre Bergung vorzubereiten. Durch die Röhre wird beständig Luft gepumpt, um einen Überdruck zu erzeugen und das was herauszuhalten, aber vor allem als Sauerstoffversorgung der Arbeiter.
Der Bau der TGS Carl Straat, der 1963 immer hin 8,5 Millionen DM verschlang (das wären heute umgerechnet und inflationsbereinigt gut und gerne 22 Mio. Euro), hat sich über die mehr als fünfzig Jahre sicher rentiert. Nicht nur, weil so die Fahrrinnen sauber und sicher gehalten wurden, sondern auch, weil das Taucherglockenschiff auch bei der Bombenräumung unter Wasser eingesetzt wurde und so vielleicht einige Katastrophen verhindert hat. Mit der TGS Kaiman hat die Carl Straat übrigens eine Vorgängerin, die über 100 Jahre Dienst tat und die den Status eines Industriedenkmals erhalten soll.
Hier ein kurzes Video über einen Arbeitseinsatz der Carl Straat:
[Titelbild: „Die Carl Straat an der Kölner Südbrücke“ – Photo by CEphoto, Uwe Aranas via Wikimedia]