Unter den vier Großstädten in unserem „Sendegebiet“ ist Neuss die kleinste. Historisch betrachtet aber ist die Stadt mit dem imposanten Quirinus-Münster neben Köln der bedeutendste Ort der Region. Denn auch Neuss geht auf die Römer zurück, genauer: auf das große und wichtige Römerlager Novaesium, das ab dem Jahr 16 v.Chr. am Ufer der Erft errichtet wurde. Der eher kleine Nebenfluss des Rheins mündet hier in den Strom. Tatsächlich aber lag das historische Neuss nie direkt am Rhein – das gilt nur für die später eingemeindeten Ortsteile Grimmlinghausen und Uedesheim. Heute ist der Ort, der für sein Schützenfest in ganz Deutschland berühmt ist, aber eine echte Hafenstadt.
Der Neusser Hafen ist flächenmäßig nicht annähernd so groß wie der Duisburger, aber etwas größer als der Düsseldorfer, hat aber vor allem eine große Bedeutung als Standort für Produktionsbetriebe. Hier findet man unter anderem die bedeutende Ölmühle Sels), die Produktion und die Entwicklungsabteilung des Automobilzulieferers Pierburg, eine Fabrik des Feinkostproduzenten Thomy, die Gipsproduktion von Knauf sowie die Papiertaschentücherfabrik von Tempo. Dazu kommen Dutzende kleinere Industrieunternehmen und Produktionsstätten. Von größerer Bedeutung für die Binnenschifffahrt ist der Neusser Hafen also nicht – die Hafenbecken dienen im Wesentlichen dazu, den angesiedelten Firmen Rohstoffe zu liefern und fertige Produkte per Schiff abzutransportieren. Tatsächlich hat Neuss auch historisch betrachtet keine größere Tradition in Sachen Flussschifffahrt. Das liegt auch an der Entfernung der Stadt zum Rhein. Zwischen dem alten Ortskern und dem Strom existierte früher ein mehrere Kilometer breiter Streifen landwirtschaftlich genutzten Schwemmlands, das teils aus Inseln, die vom Altrhein umflossen waren, entstanden. Reste der landwirtschaftlichen Nutzungen kann man noch im Hammfeld – gelegen zwischen der B1 und Gnadental bzw. Grimmlinghausen sehen. Überhaupt war die Stadt über Jahrhunderte umgeben von mehr als einem Dutzend Bauerndörfer – einschließlich des jetzigen Düsseldorfer Stadtteils Heerdt.Rasantes Wachstum seit den Sechzigerjahren
Über viele Jahrhundert ruhte Neuss sozusagen in sich selbst. Zwar hatte man im 15. Jahrhundert eine einjährige Belagerung zu überstehen und war im 16. Jahrhundert in diverse Erbfolgekriege verwickelt, aber Handel und Handwerk blühten eigentlich kontinuierlich. Der Sprung in die moderne Zeit lässt sich etwa in den Sechzigerjahren verorten. 1963 überstieg die Einwohnerzahl die 100.000-Marke, und Neuss wurde Großstadt. 1975 wuchs die Bevölkerung durch die Eingemeindung umliegender Ortschaften auf fast 150.000, und diese Zahl hat sich bis heute nicht wesentlich verändert. Allerdings steuerten die Verantwortlichen der Stadt ab diesem Zeitpunkt ein deutliches Wirtschaftswachstum an. So warb man um viele internationale Unternehmen, die sich in Richtung Düsseldorf orientiert hatten, und bot großzügige Grundstücke zur Bebauung an. So kamen Unternehmen wie Toshiba und 3M nach Neuss, und in der Nähe der Südbrücke entstanden mehrere Zentren der Modebranche. Unter dem legendären, kettenrauchenden OB Herbert Napp, der von 1998 bis 2015 das Amt ausfüllte, blühte Neuss weiter auf. Zahllose Modernisierungsprojekte wurden in Angriff genommen, die Infrastruktur wurde grundlegend verbessert und vor allem die ehemals unwirtliche Hafengegend bekam zur Innenstadt hin ein neues Gesicht. Schon immer waren die meisten Eingeborenen auch Lokalpatrioten, aber inzwischen lieben auch die Zugezogenen diese uralte Stadt, die sich seit einiger Zeit modern, jugendlich und frisch präsentiert – ohne aber seine Tradition zu verraten. Und die manifestiert sich ganz besonders im Bürger-Schützenfest am letzten Augustwochenende im Allgemeinen und dem Schützenumzug im Besonderen, bei dem bis zu 7.500 Schützen mitmarschieren. Unter ihnen auch seit vielen Jahren der Nüsser Jong Friedhelm Funkel, zur Zeit Trainer von Fortuna Düsseldorf. Auch wenn das Schützenfest von Hannover größer ist, gilt doch das Neusser Bürger-Schützenfest als das weltweit größte seiner Art, das von einem einzigen Verein organisiert wird.Kultur und Nachtleben
Das Neusser Sommerbrauchtum ist so bedeutend und nimmt die ganze Stadt so sehr gefangen, dass für das Winterbrauchtum, also den rheinischen Karneval kaum Zeit und Energie übrigbleibt. Deshalb betrachten sich die Neusser in der fünften Jahreszeit gern auch als Düsseldorfer Karnevalisten, und zahlreiche Gruppen aus der Quirinus-Stadt marschieren im Rosenmontagszug auf der anderen Rheinseite mit. Apropos Düsseldorf: Die beiden Städte verbindet nicht nur Südbrücke mit der darüberführenden Bundesstraße B1 miteinander, sondern auch die Straßenbahn sowie jede Menge Bestandteile der jeweiligen Musik- und Kulturszene. Und davon hat Neuss reichlich: Es gibt das berühmte Globe-Theater für Shakespeare & Co., das rheinische Landestheater, ein gutes Dutzend Kneipen, in denen man Live-Musik bietet, sowie andere Spielstätten des Off-Theaters und der unabhängigen Musik.Und weil es in der Schützenhauptstadt zudem jede Menge toller Restaurants, Gasthäuser, Kneipen und Bars gibt, lohnt sich unbedingt, einmal das Neusser Nachtleben kennenzulernen.